Weisheit, Kapitel 1: Der Entschluss zur Reise

„Kompetenz im Menschsein“, „lebensförderliches Wissen“ – Weisheit hat viele Namen. Sie kommt auf verschiedenen Wegen zu uns, mal gesucht, mal unverhofft. In diesem Text geht es um die Frage, wie wir uns bewusst für Weisheit empfänglich machen – und warum.

Wie läuft dein Leben?

Darum geht es ja im Leben eigentlich, oder? Wir werden fast jeden Tag von irgendjemandem danach gefragt, und doch kommen wir in unseren komplexen postmodernen Leben eher selten dazu, wirklich vertieft darüber nachzudenken, wie es uns „geht“. Wie es läuft und wie es laufen sollte. Was wir eigentlich gerade die ganze Zeit machen und ob das sinnvoll ist. Was wir langfristig vorhaben.

Pain Points

Es kann sehr lohnenswert sein, sich als vom Menschsein Betroffener einmal hinzusetzen und zu den folgenden drei Fragen ausgiebig zu schreiben:

  1. Wie war mein Leben bisher?
  2. Wo stehe ich heute?
  3. Wie sollte mein Leben in Zukunft aussehen, damit ich zufrieden bin?

Beim Schreiben könnten dann unter vielem anderem zweierlei Dinge auffallen: Dass es Dinge gibt, die besser laufen könnten oder müssten, dass man in mancher Hinsicht vielleicht unnötig leidet. Und dass man vielleicht gar nicht so genau weiß, wie die Dinge optimalerweise laufen sollten, damit man zufrieden sein kann. Ist dem so, dann haben wir „Pain Points“ gefunden, emotionale Bedürfnisse. Und die können uns Startpunkt und Hilfe sein, damit wir uns auf eine Reise machen – auf die Reise in Richtung dessen, was wir brauchen können, um unsere Probleme zu lösen: mehr Kompetenz im Menschsein, mehr lebensförderliches Wissen. Es reicht nicht, zu wissen oder zu glauben, dass wir an Weisheit zunehmen sollten – es braucht Gefühle als Motivatoren. Aber warum?

Siehe auch:
Rabendialog #1: Darum gibt es Hugin & Munin

Die Hürden auf dem Weg

Um dazuzulernen, müssen wir neuen Ideen begegnen und/oder bekannte Ideen in einem neuen Licht sehen. Da wir über das Wissen und die Kompetenz, die wir uns wünschen, bisher nicht verfügen, ist es wahrscheinlich, dass wir diese Dinge an Orten finden werden, an denen wir bisher nicht gesucht haben und/oder an denen wir nicht suchen wollen. Und das bedeutet, dass wir immer wieder Schwierigkeiten haben werden, dazuzulernen. Wie und wie intensiv diese Schwierigkeiten sich genau gestalten, hängt von unseren individuellen Anlagen und unserem Umfeld ab.

Unser logisches Denken kann man sich wie einen kleinen Reiter vorstellen, der auf dem riesigen Elefanten der Gefühle sitzt. Die Gefühle geben generell die Richtung vor und spannen den Reiter gern für ihre Zwecke ein. Und wenn wir neue Ideen hören, verleiten uns unsere Gefühle oft dazu, unsere bestehenden Glaubenssätze aufrechtzuerhalten, unser Selbstvertrauen zu stärken, uns Trost zu spenden, unsere Motivation zu erhalten, andere zu überzeugen, ein attraktives Image zu kultivieren und uns unseren Gruppenidentitäten entsprechend zu verhalten. All diese Motive sind verständlich und oft auch gut – nur leider streben wir manchmal so kurzsichtig nach diesen Zielen, dass sich Wahrheit, Lernen und Weisheit hinten anstellen müssen.

Nicht ohne Risiko

Nun sehen wir, warum wir damit angefangen haben, emotionale Bedürfnisse in Bezug auf unser Leben aufzudecken: Damit können wir den anderen emotionalen Bedürfnissen, die wir manchmal allzu kurzsichtig verfolgen und dadurch unser Denken und Lernen sabotieren, etwas Gleichartiges entgegensetzen, indem auch die Weisheitssuche eine emotional motivierte Angelegenheit wird. Das soll aber wie erwähnt nicht heißen, dass die anderen emotionalen Bedürfnisse schlecht sind. Im Gegenteil: Oft sind sie außerordentlich wichtig, und manchmal ist es gar nicht so kurzsichtig, ihnen den Vorrang zu geben. Viele neue Ideen sind zudem Schwachsinn oder zumindest unausgereift, und manchmal ziehen wir sogar aus guten Ideen die falschen Schlüsse und unser Leben wird nicht besser oder verschlechtert sich sogar.

Siehe auch:
Der Gutmenschen-Konflikt: Gesinnungsethik vs. Verantwortungsethik

Wir müssen also schon früh auf unserer Reise damit anfangen, Weisheit zu erlangen; Kompetenz im Umgang mit neuen Ideen und beim Abwägen zwischen unseren emotionalen Bedürfnissen und der kompromisslosen Wahrheitssuche (dazu später mehr). Ein gewisses Risiko ist immer im Spiel, wenn man beschließt, sich auf neue Ideen einzulassen und seine bestehenden Ideen zu hinterfragen. Wir müssen für uns selbst entscheiden, ob unser Bedürfnis nach Besserung im Leben groß genug ist, um dieses Risiko einzugehen. Wenn du dabei bist, sehen wir uns gerne im nächsten Text dieser Reihe wieder, in dem es um die Frage geht, wie wir uns denn nun auf die Reise machen, nachdem der Entschluss gefallen ist, loszuziehen.

Weisheit, Kapitel 2: Die Reise planen und vorbereiten

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