Weisheit, Kapitel 3: Wie man in Richtung Weisheit reist

Wir haben uns zur Weisheitsreise entschlossen, sie geplant und uns darauf vorbereitet. Nun wird es Zeit, aufzubrechen. Und wie das funktionieren könnte, schauen wir uns in diesem Blogbeitrag an.

Wir wollen also weiser werden. Dazu haben wir uns in den vorherigen Artikeln dieser Serie eine sinnerfüllte, emotionale Motivation und eine möglichst lernfreundliche Haltung zugelegt. Nun geht es darum, Antrieb und Haltung zum Einsatz zu bringen, um zu lernen und nach und nach weiser zu werden.

Inhalte aufnehmen: Lesen und Hören

Kommen wir zuerst zu der eher passiven Seite des Reisens, der Aufnahme von möglicherweise lehrreichen Inhalten. Nach unserer Reisevorbereitung wissen wir, wo es ungefähr hingehen soll, und das kann uns auch dabei helfen, zu entscheiden, zu welchen Themen wir uns Sach- oder Belletristikbücher, Artikel, Videobeiträge, Vorträge, Diskussionen, Podcasts o.ä. anschauen bzw. anhören könnten. Wie beim Sport gilt: Damit wir das auch wirklich tun und dranbleiben, soll das Ganze auch Spaß machen, also probieren wir am besten Verschiedenes aus und konzentrieren uns dann auf die Themen und Formate, die uns produktiv ins Nachdenken bringen und die wir zugleich gerne konsumieren.

Vielleicht beschäftigst du dich am liebsten mit nackten Fakten und expliziten Argumenten – vielleicht ziehst du es aber auch vor, Ideen durch die Blume aus inspirierenden Geschichten zu ziehen. Jedenfalls gilt es, beim Aufnehmen von Inhalten die zuvor diskutierte lernfreundliche Haltung zum Einsatz zu bringen: Ideen statt Personen ins Zentrum stellen, neugierig und aufmerksam sein, jeder Idee die Chance zugestehen, dass sie einen etwas lehren könnte – wer weiß, was!

Inhalte verarbeiten: Denken, Schreiben, Diskutieren

Neben dem Aufnehmen von Inhalten sollten wir auch viel Zeit damit verbringen, diese neuen Eindrücke sacken zu lassen und sie zu verarbeiten. In diesen Phasen kommen wir vielleicht auch selbst auf neue Ideen, die wir dann wiederum weiterverarbeiten können. Dazu sollten wir zunächst einmal in unserem Alltag Raum dafür schaffen, dass unsere Gedanken frei umherschweifen können. Wir brauchen Zeiten, in denen wir durchatmen und uns eine Weile lang auf nichts konzentrieren, nichts erledigen oder planen. Das gibt unserem Geist die Möglichkeit, Eindrücke zu verarbeiten, Bilanzen zu ziehen, Verbindungen zu knüpfen und Einfälle zu generieren. Spaziergänge, Entspannungsrituale, Fastenzeiten (Verzicht auf raumeinnehmende Aktivitäten), Meditation o.ä. sind hier mögliche gute Ideen.

Siehe auch:
Was Skeptiker leicht vergessen

Da Ideen in unseren Köpfen aber oft ein wenig schattenhaft bleiben, ist es auch zu empfehlen, immer wieder zu schreiben. Das kann zum Beispiel im Tagebuchformat geschehen, oder in Form von Aufsätzen oder Blogartikeln. Beim Schreiben verdichten wir quasi unsere Gedankensuppe und versuchen, auf den Punkt zu bringen, was wir wirklich denken und was nicht. So intensivieren wir den Lernprozess, den wir durch die Aufnahme von Inhalten und das Nachdenken angestossen haben. Wenn wir das auf die Spitze treiben wollen, können wir unsere Texte auch öffentlich machen – das kann uns dazu motivieren, besonders ergebnisoffen, konsequent und präzise nachzudenken.

Statt (nur) für andere zu schreiben und schriftlich mit ihnen zu diskutieren, kann man natürlich auch mündlich mit ihnen über Ideen sprechen. Gedanken auszusprechen, hilft ebenfalls beim Konkretisieren und Lernen, und konstruktive Antworten auf unsere Äußerungen können uns extrem viel bringen, wenn wir weiser werden wollen. Da wir die Irrwege unserer eigenen Gedankengänge oft deutlich schlechter erkennen können als andere und andere Perspektiven gerne mal schwer selbstständig einzunehmen sind, ist der Austausch mit anderen wichtig und wertvoll. Daher lohnt es sich massiv, produktives Diskutieren einzuüben und sich mit anderen zusammenzutun, die dies ebenfalls praktizieren möchten, z.B. in einem Buchclub oder einer Diskussionsgruppe. Wer’s konfrontativer mag, kann auch einen Debattierclub gründen.

Bei der Verarbeitung sollten wir stets unsere Grundhaltung in Erinnerung behalten:

  • Die maximale Gewissheit, mit der wir von der Wahrheit einer Idee ausgehen, beträgt 99%. Gewissheit ist ein größerer Feind der Weisheit als Unwissenheit.
  • Jede angenommene Wahrheit betrachten wir als ein Puzzlestück und nicht als fertiges Bild. Die meisten großen, wichtigen Themen sind komplex und vielschichtig.
  • Ideen, die erst einmal unannehmbar klingen, sollten wir in Stahlmänner umwandeln, um zu sehen, welche Lehren wir daraus ziehen können. Der Lernprozess sollte nicht an Fight or Flight-Reflexen oder ungelenken Formulierungen scheitern.
Siehe auch:
Sollte Ethik simpel oder komplex sein?

Leben nicht vergessen!

Damit die Weisheitsreise nicht zu einem bloßen intellektuellen Selbstzweck verkommt und ihr ursprünglich gestecktes Ziel verfehlt, sollte man dabei das aktive Leben auf keinen Fall vergessen. Wir sollten uns stets vergegenwärtigen, was unsere neuen Überlegungen für das echte Leben konkret bedeuten, und es ins Zentrum stellen, uns ins echte Leben zu stürzen und Erfahrungen zu sammeln. So können wir erproben, was unsere Weisheitsreise uns bringt, und diese Resultate dann wiederum weiterverarbeiten und in unser Leben einfließen lassen. „Das ungeprüfte Leben ist nicht lebenswert“, sagte Sokrates. „Doch wer nur prüft, der lebt nicht“, ergänzte Adam Leipzig.

Gute Reise!

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